Uraufgeführt im Keller-Theater Murten
ST. VINZENZ CRAND CRU
Klosterkomödie von Peter Steiger
Zeit und Ort
Gegenwart
Ausser- oder nebenirdischer Ort für Angie und Dävu
Verschiedene Schauplätze in einem Kloster
Rollen
ANGIE
Engel
Vorwitzig, lebenstüchtig, eitel, vorlaut, dominierend, zickig, schnell, nervös
DÄVU
Teufel
Bequem, faul, ungepflegt, philosophisch, träge, müde, widerwillig
ARTEMISIA
Vorsteherin des Klosters
Überheblich, jovial, vermittelnd
BENEDETTA
Nonne
Hilfsbereit, schüchtern, liebesbedürftig
CÄCILIA
Nonne und Kellermeisterin im Kloster
Fromm, bewahrend, leicht eingeschnappt, verkniffen, tantenhaft, säuerlich
DEMETRIA
Nonne mit direkten Zugriff zu Gott
Aufbrausend, temperamentvoll, widersprüchlich, rechthaberisch, eitel
ALOIS
Abwart des Klosters
Grosspurig. Will alles im Griff haben und sich keine Blössen geben.
Szene 1
Bei Angie und Dävu
Vorerst halbdunkel, dann heller. Die beiden sind bereits auf der Bühne, aber so, dass man sie mehr ahnt, als sieht. Ebenfalls nur angedeutet: Sie haben ein (allerdings belastetes) Liebesverhältnis.
ANGIE: (flüsternd) Dävu!
DÄVU: Angie?
ANGIE: (flüsternd) S’hät Lüüt.
DÄVU: O je.
ANGIE: Me söttet.
DÄVU: O je.
ANGIE: Doch!
DÄVU: Sövu früe?
ANGIE: Doch. Mach vürschi, mer hei ztüe.
DÄVU: Dä halt.
Dävu versucht, sich Angie körperlich zu nähern.
DÄVU: Angie.
ANGIE: Hör uf, lue doch, d’Lüüt.
DÄVU: Angie.
ANGIE: Lass das!
DÄVU: Zickig, wie gäng.
Beide setzen sich an ihre Arbeitsplätze.
Angie schminkt sich, Dävu liest Zeitung.
ANGIE : Dä Chef häts gern.
DÄVU: (uninteressiert) Was?
ANGIE: Wä-mir so chly … gstylt zur Büez chömid. U sit mir zwöi wäg dä Synergie üses Business zämegleit hei, umso meh. So gsäch mer wenigschtens, was une u was obe isch, hätt er geschter gseit…
DÄVU: … Geschter, geschter. Bi üs gits keis Geschter, will das, was morn passiert, eh scho Vergangeheit isch. U das, was hüt isch, hä-mer scho vorgeschter gwüsst … beziehigswis übermorn … Kompliziert uf all Fäll, kompliziert …
ANGIE: …Geschter also … Schmöck (streckt ihm ihre vorher parfümierte Hand hin)
DÄVU: (uninteressiert) Cool.
ANGIE: Stardust 17.
DÄVU: Ou lue da (Zeitung), än Flugzügabschturz in Valencia. Cool. Bisch du das gsih.
ANGIE: Sicher nid.
DÄVU: Ömu doch. (liest vor) Entenschwarm geriet ins Triebwerk, tz, tz, tz.
ANGIE: O Schei… i mein schad … i mein scheusslich. Das hett Canard à l’orange sölle ghäh für d’Amts-Isetzig vom nöie Bischof. Abgschtürzt seisch?
DÄVU: Abgschtürzt.
ANGIE: Na, ja, irren isch änglisch. Wie findsch das? (zeigt was leicht Anzügliches)
DÄVU: Hm, zimli gwagt.
ANGIE. Moralaposchtel.
DÄVU: Hä!
ANGIE: I mein Moralinjunkie. Aber lue doch mal, wie die üs dunne tüend abbilde. Immer im Nachthömli, tagus, tagi, immer im Nachthömli. Für mich als PR-Beratere isch das än Super-Gau, verschtahsch. (Greift nach Dävus Zeitung) Zeig … In Neueburg isch än Teil vor Kanalisation ibroche, grad wo zwöi Arbeiter dunne gsi si.
DÄVU: (stolz) Ja, ja.
ANGIE: Dä Bode vor Wychällerei Duvanel hät nachegäh (lacht). Die beide hei sich chönne befreie…
DÄVU: Himmuschtärnesiech. Beid?
ANGIE: Beid. (lacht und liest vor). Los: «Bevor sich die Verschütteten wieder ans Tageslicht wagten, erholten sie sich in den Räumen der Weinkellerei mit einer sehr guten Flasche vom sehr grossen Schrecken.» … Wer öppis schlächts mache wott, und s’wird öppis guets drus, macht ä guete Job, säit üse Chef.
DÄVU: U wer … puh … s’Guete wott, u ds chunnt megakrass uncool use, verdient än Orde, säit üse Chef. Das erinneret mi a dis Borkechäfer-Fründschaftsträffe, wo-ne Landplag drus worde-n-isch oder …
ANGIE: …oder din Vulkanusbruch, wo si jetzt äs Thermalbad boue hei. Übrigens (zeigt ihm einen Schuh mit hoher Sohle) … Lue.
DÄVU: Bisch eigetli us allne Wulche gheit?
ANGIE: Nid für mi … für di.
DÄVU: Meinsch?
ANGIE: Probier.
DÄVU: (widerstrebend) Meinsch?
ANGIE: Doch. (während Dävu den Schuh anzieht) Isch guet fürs Image, verschtahsch. Corporate Identity. Ds üsser Erschinigsbild muess mit dä innere Wert überischtimme. Gilt au für dich als Marketingmönsch … äh Profi, Marketingprofi.
DÄVU: (hat den Schuh angezogen, geht einige Schritte. Es sieht aus, als hätte er einen Klumpfuss) Meinsch nid … glaubsch nid … ä chli klischeehaft?
ANGIE: Treit mer so.
DÄVU: Meinsch? … Was machsch hüt?
ANGIE: Wart (blättert in der Agenda) 9 bis 10, nei halb 11, Sitzig mit äm Aviatik-Usschuss. Mä diskutieret, was günschtiger isch: sälber flüge oder ä Billig-Airline. Nachhär schaffe-n-i amene Konzept über d’Lancierig vor Harfe ir Rockmusig. U am Abe äs Podiumsgschpräch «Grounding, auch für uns ein Thema?». Ah und wie üblich vo 2 bis 4 praktischi Übige, hüt zum Bischpil …
DÄVU: … häsch eigetli zvil Weihwasser gsoffe! Schpinsch! Sövu Bügu!
ANGIE: Isch scho zimli krass. Aber verschtasch, dä Chef macht üs susch d’Höll heiss, oh sorry… er luegt uf Performance. Hüt zum Bischpil bi dä praktische Übige: Sphärenklänge im Dreivierteltakt mit äm Gloggeschpil vom Chloschter St. Vinzenz im Seeland.
DÄVU: St. Vinzenz? Im Seeland? Dert ha-ni än Wasserrohrbruch vor.