seniorweb.ch, 6. Januar 2021
Hand-Buch der Begrüssung
Die Hände schütteln, igitt. Da muss man schon gar nicht Corona sagen, um zu verstehen, was gemeint ist. Ob uns diese Verweigerung später, „nachher“, erhalten bleibt? Wohl kaum. Händeschütteln ist
ein zutiefst verinnerlichtes Gruss-Ritual. Möglich, dass andere Bräuche kippen. Der eidgenössische eingebürgerte Triple-Kuss zum Beispiel oder die bei jungen Frauen beliebte
Ganzkörper-Umschlingung.
Zurück zu den Händen. Schon erstaunlich, welch bedeutsame Rolle sie beim Grüssen spielen. Genossinnen und Genossen recken die Faust. Der Verlierer muss als Zeichen der Kapitulation die Hände in
die Luft strecken. Soldaten grüssen, indem sie die Hand an die Mütze legen. Die Jugend verwendet die Hände nach einem für uns schwer entzifferbaren Code.
Die Nazis streckten (und strecken leider immer noch) die Hand im vorgeschriebenen Winkel nach vorne. Sie bedienten sich dabei bei den italienischen Faschisten. Diese wiederum glaubten, sich auf
die Antike beziehen zu können. Vermutlich irrtümlich. Hitler selbst begnügte sich oft mit einen Art Stopp-Signal.
Zum Nazi-Gruss gibt es eine nette Geschichte. Gustav Knuth hat sie überliefert. Der Schauspieler und weitere Berühmtheiten mussten, um nicht behelligt zu werden, gelegentlich bei Empfängen in der
Reichskanzlei teilnehmen. Auf einem dieser Anlässe wollte Hitler zeigen, wie galant er sein kann. Er begrüsste eine bekannte Bühnenkünstlerin nicht mit dem Nazigruss, sondern streckte ihr die
Hand entgegen.
Weil die Schauspielerin beweisen wollte, wie angepasst sie ist, hob sie regimetreu die Arme in die Luft. Hitler und die Künstlerin taten dies gleichzeitig. Beide wiederholten das Missverständnis
jeweils im umgekehrten Sinn mehrmals. Wie die unfreiwillige Slapstick-Einlage endete ist nicht bekannt.
Wenn es je ein Hand-Buch der Begrüssungsformen geben sollte, müsste das Geschehnis dort prominent platziert sein.