Berner Zeitung, 4.5.2011


Aus Steiger
Das Alter kommt als Überfall


Peter Steiger Noch-Redaktor


Wirklich, ich hab ganz diskret geschaut. Bloss ein bisschen geguckt habe ich abends im Nünitram vor zwei, drei Wochen. Sie sah einfach blendend aus. Schwarze Haare, jung, tolle Figur. Na ja, vielleicht hab ich doch ein wenig länger, ein klitzekleines bisschen intensiver geschaut. Und, tatsächlich, sie nimmt meinen Blick wahr. Wow, sie lächelt zurück. Dann steht sie auf und bietet mir ihren Sitzplatz an.


Mal schleicht sich das Alter von hinten an. Die Falten, die Runzeln und die grauen Haare schmerzen nicht, eines Tages sind sie einfach mal da. Mal kommt das Alter als Überfall: Das Mitleid, mit dem die junge Schöne die Avancen des Alten mit den Grapschaugen kontert, gehört zur schmerzhaften Schocksorte. Und schliesslich nähert sich das Alter mit einem Ereignis, das man zwar lange voraussieht und erwartet, aber doch nicht weiss, was es bedeutet: die Rente, der Ruhestand.


Einverstanden: Die Landung auf dem Mond war für die Menschheit ein grosser Schritt. Aber für mich ist die Pensionierung ein noch wichtigerer - und das Terrain ist ebenso unbekannt. Ende Mai ist es bei mir so weit: Fun, Sun und nichts zu tun. Tönt wunderbar. Mal schauen.


Immerhin habe ich mich vorbereitet und Bücher gelesen. Fazit der Studien: Nach der Pensionierung kommt der mentale Hänger. Immer. Gemäss den Experten geht es nicht darum, ob die Seniorinnen und Senioren ins Loch fallen, sondern wann. Und wie tief es ist. Und ob und wann sie jemals wieder hochklettern und die Sinnkrise überwinden. Fun, Sun und nichts zu tun. Tönt grauenhaft. Mal schauen.