Berner Zeitung, 14.5.2012


 

Alte schummeln am Berner Grand Prix


Das war er also, der Grand Prix. Im Bild oben winkt Sophie beim 4,7 Kilometer langen Altstadt-GP, und Julie streckt die Arme zum Sieger-V. Den 16,1 Kilometer langen Hauptlauf hat Daniel Chebii gewonnen. So stehts in dieser Zeitung. Und ist doch falsch.


Nicht Daniel Chebii, sondern Albert Anderegg hat den GP gewonnen. Der Kenianer Chebii war zwar mit 46:15 der Schnellste. Doch berücksichtigt man den Altersbonus, hat ihn der 66-jährige Berner Anderegg mit 1:00:30 weit hinter sich gelassen. Feststellen lässt sich dies, weil der Grand Prix als einziger Schweizer Lauf eine Relativwertung führt. Sie erfasst mit einer Prozentangabe, dass Läufer im Alter langsamer werden. Je höher diese Zahl, desto besser ist der Sportler verglichen mit den schnellsten GP-Teilnehmern seines Alters. Chebii hat 113 Prozent, das ist super. Anderegg hat 122 Prozent, das ist extra-spezial-supergut.


Das war der sportliche schöne Teil. Nun folgt der unsportliche unschöne Teil. Ganz klar: Anderegg lief in der richtigen Kategorie, Männer, 65 bis 70 Jahre. Dies ist nicht bei allen Läufern so. Wer in die vordersten Ränge läuft, kann zwar nicht schummeln. Doch niemand kontrolliert, ob sich weiter hinten ein 64-Jähriger in die 65er-Kategorie einschreibt und sich so um Ränge und Prozente verbessert. Anderegg hat dies nicht gemacht. Aber es ist anzunehmen, dass einige der 25 500 Sportlerinnen und Sportler der Versuchung erlagen, den Rang zu schönen. Darauf angesprochen, betonen die GP-Organisatoren, dass sie zwar keine konkreten Hinweise haben, solche Manipulationen aber nicht ausschliessen können.


Herr und Frau Schwindelmeier laufen mit. Das belegt eine frühere Recherche des Kolumnisten. Seit 2007 misst die Firma Mika Timing die Zeiten. Vorher bereitete Datasport die Resultate auf. Datasport erklärte, dass überehrgeizige Eltern das Alter ihrer Kinder herunterschummeln. Ihre Sprösslinge erzielten damit in der jüngeren Kategorie bessere Ränge. Tuns die Jungen, tuns auch Ältere.


Für die wirklich Alten ist die Versuchung am grössten. Schmuggelt sich ein 39-Jähriger bei den 40- bis 45-Jährigen rein, verbessert er zwar auch seinen Rang. Aber weil die Leistung im Alter stärker abnimmt, ist der Effekt grösser, wenn ein 69-Jähriger sich zu den 70- bis 75-Jährigen gesellt. Die Frage bleibt, ob solche Ranglistensprünge wirklich Freude bereiten. Doch, schon. Die Schwindeleien sind perfektes Seniorendoping: Schont Herz und Kreislauf, garantierter Erfolg, keine Nebenwirkung.