Berner Zeitung, 5.11.2012

Über alles


In dieser Ausgabe will ich ein paar Themen verarbeiten, die einzeln nicht für eine ganze Kolumne ausreichen, aber zusammen was hergeben. In der Musik nennt man das Potpourri. Ein solcher Melodienmischmasch ist heute völlig veraltet. Aber es ist ja eine Rentnerkolumne.


I) Über falschen Applaus. Im letzten Text habe ich geschrieben, dass viele alte oder sehr alte Künstler den Beifall falsch einschätzen: Sie glauben, dass das Publikum ihre Leistung beklatscht. Dabei applaudieren die Zuhörer bloss aus Mitleid. Das hat mir ein paar nicht sehr nette Mails eingetragen. Ja, Polo Hofer wurde in Schutz genommen. Die Zusendungen haben mich an das Geschenk eines Kindergärtelers zur letzten Weihnacht erinnert. Ein bunt bemalter Kleiderbügel wars. Manche Auftritte von Angejahrten sind mit Kindergeschenken zu vergleichen. Eigentlich sollte man den Plunder wegwerfen, bringt es aber doch nicht übers Herz.


II) Über blutte Sänger. Wenn wir schon bei Hofer & Co. sind: Hanery Amman (60) hat sich blutt im «Blick» ablichten lassen. So schlimm wars gar nicht. Aber die Skala der Geschmacklosigkeiten ist gegen unten offen.


III) Über die empfindsame Marktwirtschaft. Im Tierpark Dählhölzli können Rentner billiger Kurzohr-Rüsselspringer, Gelbschwanz-Kaiserfische und Appenzeller Barthühner gucken. Eben habe ich erfahren, das sie den AHV-Rabatt nur kriegen, wenn sie an der Kasse von sich aus sagen, dass sie Ü-65 sind. Das Gleiche gilt auch in den Kinos und wohl an vielen anderen Orten. Das Personal darf nicht nach dem Alter fragen. Das ist Marktwirtschaft in ihrer zartesten Form: Indem man die empfindsamen Rentner-Seelen schont, erhöht man die Einnahmen.

 

IV) Übers Zuhören. Kolumnisten, auch in dieser Zeitung, lieben Dialoge. Dies ist die Gelegenheit, sich auch in dieser Sparte zu bewähren. Das Thema: Reden ist Silber, zuhören ist Quatsch. Gehört im 20er-Bus, Richtung Wankdorf. Zwei Seniorinnen treten auf:
Die Frau im beigen Mantel: Der Doktor hat gesagt, dass er ein MRI braucht.
Die Frau mit dem Einkaufsrolli: Mein Enkel ist jetzt im Chindsch.
Mantel: Im Spital haben sie gesagt, dass die Maschine laut ist.
Rolli: Fast alle Kinder sind Ausländer.
Mantel: Aber es war gar nicht so laut.
Rolli: Drei davon sind schwarz.
Mantel: Ich war froh, als es fertig war.
Rolli: Eines versteht kein Wort Deutsch.
Mantel: Der Doktor meint, dass alles gut sei.