Berner Zeitung, 17.6.2013
Müll-Trennung – oder warum die Scheidungsraten steigen
Ich gestehe, ich habs verbockt und in Deutschland während der Ferien den Müll nicht richtig getrennt. Schlimmer noch: gar nicht getrennt, alles rein ins gleiche Säcklein, dann husch, husch in der
Dämmerung, die Mütze tief im Gesicht, das Corpus Delicti in den Container geworfen. Restmüll, Sondermüll, Biomüll, Verpackungen, Papier: Deutschlands Müllregime ist so sperrig wie der kaputte
Velopneu, den ich vor ein paar Tagen im Ghüdersack verstauen wollte.
Alteingesessene kapieren die deutschen Regeln. Auch bei uns ist die Kehrichtordnung kompliziert. Dabei hat sowohl hier wie vermutlich auch in Deutschland alles so harmlos angefangen. In der
Schweiz gab es den metallenen Ochsnerkübel, sogenannt nach jenem Herrn Ochsner, der ihn erfunden hat und patentieren liess. Ja, genau, die allseits beliebte Berner Musikkapelle beruft sich auf
ihn.
Und nun, liebe junge Leute, die Ohren gespitzt: In diesen Ghüderkübel tat man alles, einfach alles. Achtung, festhalten: Auch Glas landete darin. Chaakübel, Schreibweise nach Belieben, hiess das
Ding östlich der Reuss. Gut möglich, dass unsere Ossies das Ding in grosser Not auch mal fürs Chaacken benützten.
In den Ghüderkübel kam alles rein. Rein war damit auch das Gewissen. Damals war die Welt eben noch in Ordnung und blieben die Paare ein Leben lang zusammen. Denn: Was zerstört Ehen und
Beziehungen? Untreue und Überdruss, gewiss. Aber vor allem zerbrechen Partnerschaften, weil niemand den Müll raustragen will.
Früher betraf diese Krise bloss den patenten Ochsner. Heute stellt sich die Frage, wer das Glas, das Papier, die Batterien, die Nespressokapseln, die Grünabfuhr, die PET-Flaschen, die
Medikamente, das Kompostierbare, den Elektroschrott, die giftige Chemie, die alten Kleider und die abgetragenen Schuhe entsorgt. Einzeln und separat entsorgt. Das Problem hat sich damit seit den
goldenen Chaakübel-Zeiten, den Fünfzigern, verzehnfacht. Kein Wunder, ist auch die Scheidungsrate gestiegen, in den letzten 50 Jahren immerhin um das Vierfache. Nun wissen wir warum.
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