Berner Zeitung, 21.10.2013


Einsichtige Senioren fahren eingeschränkt


Jetzt hat er das Auto verkauft. Das Problem ist damit gelöst. Vor mehr als einem Jahr berichtete ich hier über einen alten Herrn, der es kaum mehr schaffte, in seinen Wagen zu steigen. Er war und fuhr tattrig und gefährlich. Das geliebte Vehikel hat er nicht nur aus Eigennutz behalten. Er pflegte so gut es ging zu Hause seine kranke Frau. Das Auto half ihm, das Nötige zu besorgen. Nun sind beide im Alters- und Pflegeheim. Das ist kein Happy End. Aber immerhin kutschiert auf den Strassen ein unsicherer Autofahrer weniger.


Möglicherweise hätte er einen dieser eingeschränkten Führerausweise erhalten, den der Bund im Rahmen der Kampagne Via Sicura plant. Die Aktion soll zu weniger Unfällen führen. Beim zweiten Massnahmenpaket, das für nächstes Jahr geplant ist, geht es unter anderem darum, dass der Führerausweis gemäss Verordnung «örtlich, zeitlich auf bestimmte Strassentypen» begrenzt werden kann. Gemeint ist: Wer die medizinischen Anforderungen nicht mehr voll erfüllt, soll unter Bedingungen trotzdem ans Steuer dürfen. Senioren könnten zum Beispiel tags im Quartier, aber nicht mehr nachts auf der Autobahn fahren.

 

Für mich persönlich ist das eine gute Idee. Weil sie mich zur Vernunft zwingen würde. Letzte Woche fuhr ich bei Regen nachts aus einem Emmentaler Chrache nach Hause. Das hätte ich nicht tun sollen. Nur knapp entging ich einer Kollision. Die Augen, die Helligkeit, das Licht. Irgendwer hat in den letzten Jahrzehnten überall schwächere Lampen reingeschraubt, Funzeln.

 

Solche Sehbehinderungen sind ein mildes Altersgebresten. Es tut nicht weh, und ich habe mich daran gewöhnt. Dass die Welt für mich immer dunkler wird, schränkt allerdings ein. Am deutlichsten wird dies beim Autofahren. Eben: bei der Heimfahrt aus dem Emmental. Nun könnte ich ja freiwillig verzichten. Mache ich aber nicht. Weil der Rückweg mit dem ÖV gefühlte dreieinhalb Stunden dauern würde. Weil ich mir vornehme, langsam zu fahren. Weil ich ganz sicher gut aufpassen werde. Weil ich sonst noch eine Ausrede habe. Noch mehr Verbote sind scheusslich. Aber dieses nützt, weil es mir den Ausweg über die Ausreden versperrt.

 

Viele junge Lenker sind leichtsinnig. Weil dies gefährlich ist, erhalten sie das Billett drei Jahre lang nur auf Probe. Viele alte Lenker sind starrsinnig. Weil manche ihre Fähigkeiten überschätzen, sollten diese das Billett nur mit Einschränkungen erhalten.