Berner Zeitung, 22.4.2013


Amourös abgestützte Diebestouren


Dieses Wochenende erlebten die Kantone Bern und Solothurn das Krimifestival Criminale. Verbrechen der ungefährlichen Art überall. In dieser Welt sind Senioren untervertreten. Schade. Es gäbe manches zu berichten. Zum Beispiel jene Geschichte aus Frankreich, die mir ein Strafverteidiger erzählte, den ich als Gerichtsreporter kennen gelernt hatte.

 

Florence und Florian, sie hiessen nicht so, aber es klingt gut, mieteten sich in Hotels ein. Die schöne Florence war jünger als Florian. Sie machte sich an allein reisende Geschäftsherren heran. Die Männer waren geschmeichelt und kamen gerne und bald in das Zimmer der Frau.

 

Mal landeten sie im Bett, mal nicht. Florence sah das nicht so eng. Sie sträubte sich auch nicht, wenn Geldscheine auf dem Nachttisch landeten. Dies war allerdings nicht der Hauptzweck. Florence besorgte Florian den Zimmerschlüssel. Das Schäferstündchen verschaffte Florian genügend Zeit dafür, sich im Hotelzimmer des Geschäftsmannes nach Verwertbarem umzusehen.

 

Wenn die lodernden Flammen der Begierde vorzeitig erloschen, musste Florence auch mal improvisieren. Fast immer jedoch endeten die erotischen Abenteuer im Sinne von Florence und Florian. Die meisten Bestohlenen verzichteten auf eine Anzeige. Der erlittene Verlust schmerzte sie nicht allzu sehr, und die Frage, wo der Geschädigte während der fraglichen Zeit gewesen war, mochte dieser nicht gern beantworten.

 

Das Geschäftsmodell war leidlich erfolgreich. Ans grosse Geld kamen die beiden nicht. Aber es reichte. Sie hatten noch allerlei andere Tätigkeitsfelder vorzugsweise im Rotlichtbereich. Die Jahre und Jahrzehnte vergingen. Florian kam ins Rentenalter. Der starke Raucher hatte schon seit Jahren über Herzbeschwerden geklagt. Jetzt erlitt er einen Infarkt – ausgerechnet in einem fremden Hotelzimmer während einer amourös abgestützten Diebestour. Immerhin konnte Florian noch Florence anrufen.

 

Diese musste sich entscheiden. Rief sie den Doktor, war auch die Justiz da. Liess sie es bleiben, endete Florian vielleicht im Grab. Sie holte die Ambulanz und damit die Behörden. Die beiden bekamen milde Strafen, sie auf Bewährung. Florian erholte sich wieder. Weil er ein solides Vorstrafenregister hatte, musste er einige Monate ins Gefängnis.

 

Bis hierher tönt die Geschichte romantisch und nach Bonnie und Clyde. Der Nachspann trübt das Bild: Florence verliess Florian und suchte für ihre weiteren Milieugeschäfte einen anderen Partner.