Berner Zeitung,3.6.2013
Dignitas arbeitet gut
Bei den Freitodorganisationen gibt es die gute. Das ist Exit. Und es gibt die schlechte. Das ist Dignitas. Das ist so einfach wie falsch. Exit, die bekannteste Sterbehilfeinstitution, arbeitet
zwar seriös, das stimmt.
Aber der schlechte Ruf von Dignitas ist nicht gerechtfertigt. Für einen grossen Artikel, der im Januar in dieser Zeitung erschienen ist, habe ich mit einem Dutzend Menschen gesprochen, vor allem
Frauen, die für Freitodorganisationen gearbeitet haben. Alle hatten einen mehr oder weniger grossen Überblick über diese Szene. Einige wirkten früher bei Dignitas mit.
Alle erklärten, dass Ludwig A. Minelli zwar ein schwieriger, aber ein integrer Mensch sei und dass die von ihm geleitete Organisation gute Arbeit leiste. Viel mehr als andere Freitodorganisationen wird Dignitas durch eine Einzelperson geprägt, durch Minelli. Der Anwalt und frühere Journalist ist nicht bloss eine Kämpfernatur, sondern versteht auch Dignitas als Kampforganisation.
Er ist angreifbar, weil er quersubventioniert und für diesen Kampf auch Geld einsetzt, das Sterbewillige Dignitas für ihren begleiteten Suizid bezahlt haben. Das ist legal. Weil Dignitas nicht
offenlegt, wie viel die so finanzierten Rechtsstreitigkeiten kosten, hat der Verein einen schweren Stand. Einem rauen Wind ausgesetzt ist Minelli aber auch, weil Dignitas Klientinnen und Klienten
aus dem Ausland hilft.
Für ihn ist der Freitod ein Menschenrecht. Dieses soll allen zustehen, im In- und Ausland. Deshalb hat Ludwig A. Minelli in Hannover Dignitas Deutschland gegründet. In unserem Nachbarland darf
das bei uns erlaubte Sterbemedikament Natrium-Pentobarbital aber nicht verwendet werden. Dignitas Deutschland vermittelt deshalb seine Klienten zur Mutterorganisation in die Schweiz.
Sterbetourismus ist ein gängiger Ausdruck dafür. Aber es ist ein scheussliches Unwort. Diese Leute sind nicht Touristen, die etwas erleben wollen, sondern Menschen auf ihrem letzten Weg.