Berner Zeitung, 6.05.2013


Die Hallo-Frage, oder wer grüsst wann wo wie?

Als es kürzlich einen ganzen Tag lang Frühling war, ging ich wandern. Nun ist wandern, zumal werktagswandern, ausschliesslich Senioren vorbehalten. Das beginnt im Zug, der an fussgängerfähigen Tagen ab Spiez fast und ab Frutigen vollständig mit RR, rüstigen Rentnern, besetzt ist. Früher gabs auf den Schienen den Roten Pfeil. Jetzt fährt die BLS am Lötschberg mit dem Silberpfeil, dem Alters- und Hinterbliebenen-Express.

 

Lange hatten Niesel, Graupel und Schauer das Fussvolk zum Stillsitzen verdammt. Jetzt war an diesem wolkenlosen Tag das Wandern nicht nur Müllers Lust. Nein, auch Meiers, Hubers, Häberlis und Rüdisühlis waren an der BLS-Südrampe unterwegs. Das schuf an diesem Tag Schwierigkeiten, die man verallgemeinern kann: das Grüessech-Problem. Der auch als Hallo-Frage bekannte Komplex zerfällt in zwei Unterabschnitte.

 

Erstens ist zu klären, wer zuerst grüsst. In bewohnten Gebieten ist dies klar. Grusspflichtig ist, wer hereinkommt. Doch im Gelände herrscht Anarchie. Grüsst der Absteigende? Und wenns eben ist? Grüsst der Jüngere? Der Mann? Und was, wenn gemischte Gruppen unterwegs sind?

 

Zweitens ist zu untersuchen, wo man grüsst und wo nicht. Die Pole: Begegnen sich zwei unbekannte Wanderer in diesen Tagen an der BEA, grüssen sie nicht. Treffen sich Bergsteiger auf dem Everest, grüssen sie. Damit ist klar: Entscheidend sind die Bevölkerungsdichte und der Abstand vom bewohnten Gebiet. Wirklich interessant wird das Problem aber, weil viele weitere, schwierig zu bewertende Faktoren mitspielen.

 

Auf schmalen Pfaden grüsst man eher als auf Wanderer-Autobahnen. Nie grüsst man auf Asphalt. In grösserer Höhe kommt das Hallo schneller als drunten im Tal. Eine nahe Bahn verringert die Grussbereitschaft. Kinder erhöhen sie. Rucksackträger grüssen ihresgleichen, aber nie Leute mit umgehängten Taschen. Wer die Dächlikappe verkehrt herum aufsetzt, ist selber schuld.
Bergschuhwanderer ignorieren Turnschuhträger. Leute mit Kletterseilen ignorieren Vulgärfussgänger. Walker bevorzugen Walker. Ein weites Feld also. Aber eins, das sich zu beackern lohnt. Das zeigt der Streit zwischen Extremkletterer Ueli Steck und den Sherpas im Himalaja. Gings um herabgestürztes Eis, kulturelle Unterschiede oder halt doch um die Hallo-Frage? Grüssen Sherpas Alpinisten oder umgekehrt? Flogen Steine, weil die Parteien den Grusscode missachteten?