Berner Zeitung, 13.1.2014
Zum Glück muss man beim Sex nicht aufstehen
Kolumnisten schreiben gerne Dialoge. Das will ich jetzt auch. Wenn schon, denn schon gehe ich auf tutti und wage eine Liebesszene zweier Senioren. Das ist heikel. Aber ich habe mich gut
vorbereitet und die Orgasmus-Arie von Serge Gainsbourg (1991 gestorben) und Jane Birkin (68) gehört: «Je t’aime … moi non plus».
Wir sind in einem verdunkelten Zimmer. Auf einem Plattenspieler läuft eine LP. Zu hören ist Polo Hofers «Teddybär». Die Platte hat einen Sprung. Deshalb wiederholt sich immer wieder «we mer es
französischs Müntschi gisch … Müntschi gisch … Müntschi gisch». Ein leichter Geruch umweht das breite Bett: Es riecht nach Perskindol dolo; lindert Rheumaschmerzen.
ER: Autsch.
SIE: Was ist?
ER: Das Knie.
SIE: Das brauchst du doch jetzt nicht.
ER: Das Kreuz tut auch weh.
SIE: Das ist schon schlimmer.
ER: Drum trag ich jetzt auch das Thermoleibchen. Wärme hilft.
SIE: Du hast doch mich für die Wärme.
ER: Hast recht, Schatz. SIE: Gib mir noch mehr.
ER: Schon, aber ich kann nicht mehr.
SIE: Ich meine nicht das. Gib mir die Creme.
ER: Hier.
SIE: Nein, ich brauch nicht Gleit-, sondern Haftmittel, Kukident. Vorhin beim Küssen, weisst du …
ER: Aha … Ou, herrjesses.
SIE: Schon wieder das Kreuz?
ER: Diesmal das Bein, ich hab den Krampf. Hier, ganz steif.
SIE: Wenigstens dort.
ER: Hoppla, jetzt ist es passiert.
SIE: Schön für dich.
ER: A bas, nicht das. Passiert ist, dass mir Kinder in den Sinn gekommen sind.
SIE: Du spinnst. Wir bekommen doch keine Kinder mehr.
ER: Doch. In einer halben Stunde kommen Sebastian und die beiden Enkel.
SIE: Und? Der Baschi wirds wohl ertragen, wenn er uns so sieht.
ER: Ausgeschlossen. In den Augen der Kinder haben Eltern nie, nie, nie Sex.