Berner Zeitung, 20.10.2014
Blüemlikappen für Crawlerinnen,Jobs für Unerfahrene
Neulich im Velogeschäft. Weil der Bikesattel kaputt war, wollte ich einen neuen. «Da haben wir was für Sie», flötete die Verkäuferin mit Kurzhaarfrisur und ausgeprägtem Bizeps. Dann zeigte sie
auf eines dieser halbmeterbreiten Kuschelungetüme. «Das ist ein Grosisattel», erwiderte ich hässig. «Ich bin Triathlet», log ich. Zugegeben: Grossmütter darf man nicht als Grosi verbal
abknutschen. Pardon.
Nicht entschuldigen mag ich mich bei der Muskelmaid. In ihrem Job muss man wissen, dass längst nicht alle älteren Leute mit Zweiradsofas unterwegs sind. Immerhin ist sie in guter Gesellschaft.
Noch weit ärgerlicher als im Veloladen ist die Altersdiskriminierung allerdings auf dem Arbeitsmarkt.
«Nur für Frauen, die garantieren, dass sie nie schwanger werden.» – «Schwarze sind ausgeschlossen.» – «Nicht für Behinderte.» – «Bewerber, deren Namen auf -ic enden, haben keine Chancen.»
Stellen, die so ausgeschrieben wären, sind undenkbar. Die Justiz würde sich auf die Firmen stürzen, die Medien könnten sich auf saftige Schlagzeilen freuen.
Jobangebote mit Altersgrenzen hingegen sind gängig. Allerdings verstecken die Firmen den Seniorenhammer gerne. Weil das Image leidet, wenn man deklariert, dass man keine Älteren will, haben die
Unternehmen einen anderen Weg gefunden: Berufserfahrung. Tönt unverfänglich, hat aber die gleiche Wirkung. Das lässt sich erkennen, wenn man das Jobportal Monster untersucht. Es gibt an, wie
viele Jahre man vorher im ausgeschriebenen Beruf gearbeitet haben muss.
70 Prozent der Angebote richten sich an Leute mit 1 bis 5 Jahren Erfahrung. 28 Prozent wenden sich an Stellensuchende, die 5 bis 10 Jahre lang Wissen und Können gesammelt haben. Nur noch für 2
Prozent der freien Stellen sollten die Bewerber mehr als 10 Jahre lang Know-how erworben haben. Kaum ein Unternehmen interessiert sich also für Superqualifizierte mit Hintergrund. Wer, was üblich
ist, mit 40 oder wenig darüber beruflich sesshaft wird, hat 10 Jahre später, mit 50, keine Chancen mehr.
Ein ernstes Thema. Die Altersdiskriminierung im Sportladen ist weitaus harmloser. Und lustiger. Die sportgestählte Kollegin, um die 60, echte Triathletin, schnittige Crawlerin mit Neoprenanzug,
wollte eine Schwimmkappe. Die Verkäuferin empfahl ihr eines dieser lustigen Modelle für ältere Damen mit den bunten Plastikblumen drauf, Floristik im Thermalbad.