Berner Zeitung, 5.10.2015


Lifestyle mit dem Baby-Cabrio


Der MacLaren Quest hat eine TS-Entriegelung und besticht durch sein edles schwarzes Fahrwerk. Er entschleunigt über eine One-Touch-Zentralbremse. Im unwegsamen Gelände bewähren sich das höhenverstellbare Chassis und der ausklappbare Maxi-Cosi-Adapter. Liest sich wie Autowerbung, beschreibt aber einen Kinderwagen.


Letzte Woche habe ich ein solches Gefährt mit vier grossen Rädern gesehen. Mit diesen grossen Rädern, die man sonst nur noch im Museum erblickt. Beim Nostalgiefahrzeug musste ich Erschreckendes feststellen: kein 5-Punkt-Sicherheitsgurt fürs Baby, keine aufladbaren Standlichter, kein Behälter für Wellnessgetränke. Jahrelang hatten Kinderwagen, mit denen man sich zeigen konnte drei Räder. Neuerdings haben manche zwar wieder vier. Aber doch nicht derart grosse.


Kinderwagen illustrieren den Lauf der Welt. In den Fünfzigern rollten Eltern ihre Sprösslinge in zwergwüchsigen Ami-Schlitten herum. Mit ihren kleinen Rädern waren diese so tief, dass die Mutter das Kind per Kniefall betreuen musste. Väter gabs damals noch keine. Dann, in den Siebzigern und Achtzigern, waren wieder mal diese Hochraddinger Mode. Sie waren bequemer. Die Mütter – vereinzelt existierten nun auch Väter – hatten den Nachwuchs in Griffnähe. Aber die Schaukelgefährte waren gefährlich.


Die Autos waren klein, die Kinderwagen gross. Wenn man die Karosse auf das Dach seines VW-Käfers montierte und ins Parkhaus fuhr konnte man sich höchstens noch daran freuen, dass man den Sprössling vorher herausgenommen hatte. Und: Man konnte damit weder joggen noch das Baby einhändig durch die Stadt navigieren. Eigentlich konnte man überhaupt nichts.


Einhändig Eltern sein bedeutet Party, Konzerte, Theater, Yoga, Surfen und Segeltörn. Eigentlich alles wie vorher, nur eben mit Kind. Und das wiederum bedeutet, dass die Ausrüstung hochkomplex ist. Der Kinderwagen lässt sich in ein Bettchen oder einen Hochstuhl verwandeln. Alle Funktionen des Boliden verstehen nur noch Kinderwagen-Nerds.


Getunte Babymobile bieten Hightech für den Start ins Leben. Für den Schluss des Daseins genügen Rollatoren mit Lowtech. Räder, Gestell, Bremse, fertig. Dafür verblüffen sie mit abseitigen Bezeichnungen. Die alte Dame auf dem Trottoir will mit einem Rollator Mobilex Antilope über die Strasse. Der Herr mit der Infarktlähmung stützt sich auf das Modell Gazelle. Andere heissen Tango oder Salsa. Anders als Kinderwagen haben Rollatoren keinen Abgaskrümmer mit Endschalldämpfer. Aber bizarre Namen.