Berner Zeitung, 10. Juli 2017

Allseits schöne Ferien: Hoffentlich mit Staus, Durchfall und Reifenpannen

Juhu, bald Urlaub. Wir freuen uns auf die nun beginnende Auszeit, doch noch höher in unserer Gunst sind die längst vergangenen Ferien. Denn erst in den Erinnerungen werden diese Wochen zu Tagen unbeschwerten Glücks.


Hey war das spannend, als Diebe das Portemonnaie aus dem Auto klauten, mit allem Drum und Dran, und wir mit dem letzten Münz mit dem letzten Tropfen Benzin aufs Konsulat nach Marseille fahren mussten. Wenn wir heute daran denken, erinnern wir uns an ein vergnügliches Abenteuer. Oder wie teambildend erscheint uns zwei Jahre später jener allerflüssigste Durchfall, der uns zwei Tage lang ins Hotelzimmer zwang. Oder die Sache mit dem verlorenen Schliessfachschlüssel. Oder die Autopanne, der Jahrhundertstau, das verpasste Flugzeug. Alles grossartige Erlebnisse, über die wir uns heute unbeschwert freuen können.


Wenn uns was Ähnliches zu Hause passiert, bekommt das nicht jenen Zuckerguss, der an den Urlaubserinnerungen haftet. Der platte Reifen am Auto vor der Haustür, als wir unter Zeitdruck zu einem Treffen mussten, enervierend. Die Erkältung an Ostern, als endlich mal wieder die Sonne schien, scheusslich. Der Abend, als wir erst im Theater merkten, dass wir Tickets für die gestrige Vorstellung hatten, ein Grund für einen währschaften Streit.


Frau Psychologin, Herr Meinungsforscher, bitte übernehmen Sie: Warum werden Pannen in der Ferne zu schrulligen Geschichten? Wieso bleibt das Malheur zu Hause ein ärgerliches Missgeschick? Es ist wohl die Sache mit den Erwartungen. Wenn die Ferien schon so schweineteuer sind, dann sollen sie gefälligst auch Freude bereiten. Oder es ist das tiefe Glück der überstandenen Strapazen, der gemeisterten Herausforderungen, der bewältigten Abenteuer, alles veredelt, weil es unter widrigen Umständen und in der Ferne geschah.


In diesen Tagen ist es wieder so weit: Wir verabschieden uns von Freunden, Bekannten, Verwandten und gönnen ihnen recht schöne Ferien. Aber eigentlich sollten wir ihnen kaputte Klimaanlagen, fehlgeleitetes Fluggepäck und überbuchte Hotels wünschen.