Berner Zeitung, 13. Oktober 2017
Bei Ü-65 langt der Staat besonders kräftig zu
Steuern Nach der Pensionierung sinkt das Einkommen. Und steigen die Steuern anteilsmässig. Noch mehr zwackt der Fiskus ab, wenn Rentner weiter arbeiten. Mit geschickter Planung können sie die
Belastung verkleinern.
Vor der Pensionierung zählen manche die Wochen und Monate. Für viele wird die Vorfreude auf mehr Freizeit durch finanzielle Sorgen getrübt. Die meisten Rentner erzielen mit AHV und Pensionskasse
nicht mehr das gleiche Einkommen und bezahlen anteilsmässig mehr Steuern als Berufstätige. Wenn Senioren mit Nebenverdiensten die Lücke schliessen, zwackt der Fiskus noch mehr Prozente ab.
Mit Unterstützung durch Claudine Meichtry, diplomierte Steuerexpertin bei der Treuhandfirma Core mit Standorten auch in Bern, hat diese Zeitung drei Beispiele durchgerechnet. Es sind verheiratete
Paare aus Bern, unselbstständig erwerbend. Sie haben weder Vermögen noch Schulden noch Liegenschaften. Wo möglich beanspruchen sie Abzüge und zahlen in die Säule 3a ein.
Spahr, Mettler, Wohlgemuth
Herr und Frau Spahr müssen aufs Geld schauen. Vor der Pensionierung hatten sie ein Nettoeinkommen von 75 000 Franken und bezahlten 6500 Franken Steuern, das sind 8,7 Prozent ihres Einkommens.
Jetzt, in Rente, erhalten sie von AHV und Pensionskasse 50 000 Franken. Nun müssen sie noch 5240 Franken Steuern überweisen, relativ gesehen ist das mehr als früher, nämlich 10,5 Prozent. Wenn
Spahrs das einstige Einkommen erreichen wollen und zusätzlich 25 000 Franken verdienen würden, müssten sie 9100 Franken Steuern entrichten und relativ noch mehr abgeben, 12,1 Prozent.
Mettlers liegen in der Mitte. Vorher verdienten sie 100 000 Franken. Die Steuerverwaltung schickte Rechnungen über 11 830 Franken, 11,8 Prozent des Einkommens. Nun erhalten sie von AHV und
Pensionskasse 75 000 Franken und entrichten 10 360 Franken Steuern (13,8 Prozent). Wenn Mettlers aufs frühere Niveau kommen und 25 000 Franken dazuverdienen wollen, kämen Rechnungen über 15 050
Franken (15,0 Prozent).
Die wohlhabenden Wohlgemuths verdienten einst 125 000 Franken. Der Staat kassierte 18 080 Franken (14,5 Prozent des Einkommens). Nun beziehen sie von AHV und Pensionskasse 100 000 Franken und
bezahlen 16 500 Franken (16,5 Prozent). Wenn sie zusätzlich 25 000 Franken erarbeiten möchten, kämen Rechnungen über 22 080 Franken (17,7 Prozent).
Senioren benachteiligt
Die Beispiele zeigen, dass unser System dank Abzügen und Gewinnungskosten Erwerbstätige gegenüber Rentnern bevorzugt. Die kantonale Steuerverwaltung vermerkt, dass das nicht stimme. Die
Gewinnungskosten der Berufstätigen seien real. Der Behörde ist entgegenzuhalten, dass Steuerpflichtige nicht die effektiven Werte, sondern das Maximum abziehen. Und: Auch Rentner sind beschäftigt
und haben Auslagen – die nicht berücksichtigt werden.
Der Staat schneidet vom Zubrot der Gutgestellten mehr ab. Spahrs, Mettlers und Wohlgemuths haben Nebenverdienste von 25 000 Franken. Die dadurch höheren Steuern abgezogen, bleiben Spahrs 21 140
Franken, Mettlers gewinnen 20 310 Franken, Wohlgemuths 19 420 Franken.
Unterhalt staffeln
Auch Rentner ohne Berufsauslagen können Steuern sparen. Keine Freude machen die Zusatzabzüge, wenn der Ehepartner krank oder behindert wird oder ins Heim muss. Unproblematisch sind hingegen die
Möglichkeiten, die unser Vorsorgesystem bietet. Unselbstständig Tätige vermindern ihre Steuern, indem sie in die Säule 3a einzahlen, zurzeit maximal 6768 Franken. Auch Senioren können davon
profitieren. Allerdings gilt dies für erwerbstätige Männer nur bis zum 70. Lebensjahr, für Frauen nur bis 69.
Viele Ältere wohnen in angejahrten Liegenschaften, die saniert werden sollten. Investitionen, die den Wert vermehren, bringen steuertechnisch nichts. Doch wer etwa das Dach renovieren muss, kann satte Abzüge eintragen. Bezahlt der Eigentümer die Rechnungen in einem Jahr mit hohem Einkommen, bricht dies die Progression. Weil sich solche Unterhaltsarbeiten staffeln lassen, kann er sich über diesen Effekt während mehrerer Jahre freuen.
Problematisch sind Schenkungen oder Erbvorbezüge. Sie gelten als Vermögensumschichtung. Dies heisst, dass die Steuern anderswo anfallen, meist bei den Söhnen oder Töchtern. Weil Bankkonten und
Wertschriften kaum Ertrag abwerfen, sind Ersparnisse nur bei der Vermögenssteuer möglich.
Wer sich scheiden lässt, aber weiter zusammenlebt, profitiert von der AHV. Den Scheingeschiedenen kann man vorwerfen, dass sie das Sozialwerk schröpfen. Doch wen das nicht kümmert, darf sich
freuen, dass mehr Geld fliesst. Statt einer Ehepaar- erhalten die beiden je eine Alleinstehendenrente. Die zwei haben so nicht nur mehr Einkommen, sondern bezahlen dank getrennter Veranlagung
auch weniger Steuern. Auf silberne oder andere Jubelhochzeiten zu verzichten, hat jedoch Tücken: Pensionskasse und AHV zahlen keine Witwenrente.
Aktive Rentner
In der Schweiz arbeiten immer mehr Menschen über das ordentliche Pensionsalter hinaus. Laut dem Bundesamt für Statistik waren letztes Jahr 17,8 Prozent der Männer über 65 wenigstens teilweise
erwerbstätig. 2010 waren es erst 13,8 Prozent. Die Frauen waren in diesem Alter beruflich weit weniger aktiv. Ihre Quote lag 2016 bei 8,3 Prozent, vor sieben Jahren bei bloss 6,3 Prozent.