Quartierzeitschrift "Arena", März 2019
Viele Rituale, viel Gold und Silber, viele Gläubige
A-cappella-Gesänge, Ikonen, Weihrauch – und volle Kirchenbänke. Ein Besuch zeigt, dass sich in der früheren katholischen Heiligkreuz-Kirche in der Tiefenau manches geändert hat. Jetzt
zelebriert die rumänisch-orthodoxe Gemeinde St. Georg hier ihre Messe.
Aha, denke ich als ich eintrete, das sieht ja aus, wie in unseren Gotteshäusern: Bloss ein Dutzend Menschen sitzen zu Beginn in den
Bänken. Aber in den nächsten Dreiviertelstunden stossen immer mehr dazu. Am Schluss sind an diesem Sonntagvormittag über hundert Gläubige in der ehemaligen katholischen Kirche
Heiligkreuz in der Nähe des Tiefenauspitals.
Seit dem vergangenen Frühling haben sich nicht nur die Besucherzahlen verändert. Im April hat die rumänisch-orthodoxe Kirchgemeinde St. Georg den 50-jährigen Betonbau übernommen. Wer jetzt
die Holztür aufstösst, staunt über Ungewohntes. Über die langen A-cappella-Gesänge des rund zwölfköpfigen Chor etwa. Durch dessen Klänge, durch die Liturgie und durch die Antworten der Gemeinde
entstehe ein Dialog, wird Priester Laurentiu Precup später erklären: „Dieses Miteinander stellt eine Verbindung zu Gott her.“
Gottesdienste dauern bis zu fünf Stunden
Die Orthodoxen feiern mit vielen Ritualen: Die Gläubigen küssen die Ikonen, knieen und bekreuzigen sich häufig. Der Priester segnet Bilder, Weihwasser und Kerzen und schwenkt das
Weihrauchfassckchen erklingent Gloeitcaus am meisten Rituale veyrwendet die orthodoxe Liturgie: Der Preister segnet Krzen, söchweynkt Weihrau. „Die Rituale ermöglichen ein Fenster zur
Göttlichkeit“, sagt Precup.
Orthodoxe Gottesdienste dauern bis zu fünf Stunden. Wer dazu in der Lage ist, sollte dabei stehen. An diesem Sonntagvormittag hält sich die Belastung in Grenzen. Der Gottesdienst hat zwar bereits
um acht Uhr morgens begonnen. Der Grossteil der Gemeinde besucht jedoch nur die fünfviertelstündige Liturgie.
Dank Denkmalschutz mit Bänken
Weil der Denkmalschutz verfügt hat, dass die Bänke bleiben, dürfen sich die Besucher setzen. Orthodoxe Kirchen haben sonst nur entlang den Wänden Sitzgelegenheiten für Alte und Gebrechliche. Hier
in Bern nutzen die meisten Kirchgänger diese Erleichterung.
Menschen aus Rumänien leiden in der Schweiz unter Vorurteilen. Bettler, meist Roma, prägen ein falsches Bild. In der Tiefenau treffen sich Besucher, die als gutschweizerischer Durchschnitt
durchgehen könnten. Zum gängigen Bild orthodoxer Gotteshäuser gehören reich geschmückte Gebäude und Zwiebeltürme. Bei uns kontrastiert viel Gold und Silber mit einem schlichten Betonbau.
Priester Precup: „Wir schätzen diese Atmosphäre.“
„Die Finanzhilfe entspricht den rumänischen Gesetzen“
Die Glaubensgemeinschaft St. Georg feiert jeden Sonntag und an Feiertagen. Precup: „Herzlich eingeladen sind auch Besucher ausserhalb unserer Gemeinde.“ Diese ist als Verein organisiert.
Weil längst nicht alle Gläubigen Mitglieder sind, kann der Priester keine Zahlen zur Grösse angeben.
Die Gemeinde finanziert sich über Vereinsbeiträge und Spenden. Sie hat den Bau für 900 000 Franken erstanden. Die rumänische Regierung hat den Kauf mit fast einer halben Million Franken
mitfinanziert. Weil die Schweiz Rumänien unterstütze, sei es paradox, wenn nun Geld zurückfliesse, bemängeln Kritiker. Laurentiu Precup entgegnet, dass die Unterstützung den rumänischen Gesetzen
entspreche. Darüberhinaus will er sich nicht zum Konflikt äussern.
Der Priester erzählt von „freundschaftlichen Kontakten mit den hiesigen Kirchen“. Er sei dankbar, dass die Berner Katholiken dieses Projekt ermöglicht haben. Der Mehrzwecksaal erlaube ein
vielfältiges Gemeindeleben mit Vorträgen von rumänischen Geistlichen, Konzerten und Wohltätigkeitsveranstaltungen. Precup: „Wir konnten uns schon mehrmals über erfolgreiche Anlässe
freuen.“