seniorweb.ch, 23. Januar 2020
Hilfe, ich kann das Altersheim nicht bezahlen
Falsch, die Furcht ist unbegründet. Ob arm oder reich: Das Personal im Alters- und Pflegeheim umsorgt alle gleich. Allerdings: Wer mehr hat, darf auch mehr fordern.
Wir Senioren fürchten uns vor Krankheit, dem Alleinsein, vor Gebrechlichkeit und, ja, vor dem Tod. Das sind begreifbare Sorgen. Daneben gibt es Ängste, die in unserem Land eigentlich nicht
berechtigt sind. Die Besorgnis nämlich, ein anständiges Alters- und Pflegeheim dereinst nicht bezahlen zu können und als Sozialfall entsorgt zu werden, ins Mehrbettzimmer mit
Gemeinschafts-WC.
Altersheim- und Pflegekosten: Das tönt kompliziert. Ist es tatsächlich. Ein Heimeintritt ist einschneidend. Auch finanziell. Die Institutionen verrechnen im Durchschnitt monatlich rund 9000
Franken pro Person. Daran beteiligen sich die Krankenkassen. Für den Restbetrag wird das Einkommen herangezogen, also AHV und Pension. Ist Vermögen vorhanden, wird dieses berücksichtigt.
Allerdings ist es durch Freibeträge geschützt, für Ehepaare sind dies 60’000 Franken. Vom Mehrbetrag fliesst jährlich ein Fünftel in die Heimrechnung. Krankenkasse, Renten, Zinsen,
Vermögensverzehr: Meist reicht all dies nicht aus. Das Manko decken die Ergänzungsleistungen (EL) der AHV. Rund 60 Prozent der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sind darauf
angewiesen.
Die EL richtets
Sozialfälle gibt es in unseren Heimen kaum. Die EL richtets. Doch Geld regiert die Welt. Herrscht eine Mehrklassenhierarchie? Müssen Menschen, die ausser AHV und allenfalls PK wenig oder gar kein
eigenes Geld beisteuern mit Einbussen rechnen? Mit weniger schönen Mehrbettzimmern, weniger Service, weniger gutem Essen oder gar mit eingeschränkter Pflege?
Daniel Domeisen verneint. Er ist Leiter Gesundheitsökonomie bei Curaviva, dem Verband der Institutionen für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Das Personal kenne die finanzielle Situation der
Bewohnerinnen und Bewohner nicht, erklärt er. Mehrbettzimmer gebe es kaum mehr. Auf die brutale Vorstellung, dass Minderbemittelte bei der Pflege vernachlässigt würden, reagiert er ganz klar:
„Geld beeinflusst weder die Pflegestufe noch die Qualität.“
Premium-Gäste im gleichen Haus
Das zu wissen, tut gut. Ganz unabhängig vom Geld verbringen wir unseren vierten Lebensabschnitt aber doch nicht. Domeisen schränkt ein: „Die Tarife dürfen die kantonalen Vorgaben nicht
überschreiten.“ Ausserdem gebe es Institutionen, die diese Ansätze zwar einhielten, darüber hinaus aber Bessergestellten teurere Hotelleistungen ermöglichen. Dies kann bedeuten, dass im gleichen
Haus Premium-Gäste in luxuriöseren Zimmer mit Zusatzbedienung wohnen.
Auch bei Institutionen ohne diese Oberklassen-Angebote können gemäss Domeisen „zahlungspflichtige Freizeitaktivitäten“ eingeschränkt sein. Damit sind zum Beispiel besonders teure Ausflüge
gemeint. Die Beiträge daran sind nach den finanziellen Möglichkeiten abgestuft. Überdies sind bei den Ergänzungsleistungen 420 Franken für persönliche Auslagen enthalten. Dank diesem
Sackgeld müssen die Bewohner auch bei solchen Extras nicht beiseitestehen.
EL-Bezüger können für den Lebensabend auch zügeln – vom nebligen Mittelland in den sonnigeren Süden etwa. Das Heim im Tessin darf allerdings keine höheren Tarife verrechnen, als der
Herkunftskanton vorgibt. Nicht möglich sind eigentliche Luxus-Residenzen, die teurer sind, als die Kantone vorsehen. Wichtig zu wissen ist, dass der Finanzierungsmodus über die EL zwar für die
Heime, aber nicht für die Alterswohnungen gilt. Das könnte sich ändern: Die Parlamente haben den Bundesrat beauftragt, ein finanzierbares Modell für betreutes Wohnen zu erarbeiten.
Nach der Luxusreise ins Heim
Immer mal wieder hört man von Senioren, die mit ihrem Alterskapital allzu sorglos umgehen. Sie leisten sich etwa Luxusreisen und tolle Autos, und wenn sie blank sind, hoffen sie, sich dank
EL nicht allzusehr einschränken zu müssen. Manche Gemeinden reagieren darauf, indem sie die Ergänzungsleistungen eine Zeitlang reduzieren. Müssen derart freigiebige Rentner und Rentnerinnen mit
Konsequenzen rechnen, wenn sie ins Altersheim wollen? Daniel Domeisen sind keine solchen Fälle bekannt. „Die Leistungen sind gesetzlich gedeckt.“ Das Geld verprassen und dann schnell im Heim
unterschlüpfen, das geht also. Ob dies zu empfehlen sei, ist allerdings eine andere Frage.
Ob arm oder reich: Das Altersheim schaut nicht auf die finanziellen Hinter- oder Abgründe. Existenzangst braucht niemand zu haben und niemand muss in einer gut geführten Institution befürchten,
respekt-oder würdelos behandelt zu werden. Doch auch für den letzten Lebensabschnitt gilt: Wer mehr hat, dem wird auch mehr gegeben.