seniorweb.ch, 31. Mai 2022

 

Einzig die Töchter putzen und waschen bei ihren betagten Eltern

 

Wie fühlte ich mich als Muster-Sohn, als Mutter-Sohn der ganz edlen Art. Mindestens einmal im Monat fuhr ich von Bern nach Zürich und besuchte die hochbetagte Frau. Dazu am Muttertag, an Weihnachten. Zweimal machten wir sogar ein paar Tage Ferien im Tessin. Ausserdem erledigte ich den administrativen Kram, Einzahlungen, Steuererklärung, die Bank. Ja, so ein aufmerksamer Bub war. Gerne und voll Stolz erzählte ich von meinen grossherzigen Taten.

Bloss: Die grosse Büez machte nicht ich, der vermeintliche Gutmensch. Sondern meine Schwester. Sie kochte, wusch und putzte. Schaute alle paar Tage zum Rechten, fuhr mit der Mutter zum Arzt, zur Coiffeuse. Zwar hatte sie es vom Zürcher Vorort weniger weit. Aber da gabs noch einen Halbtagsjob, ein Einfamilienhaus, zwei halbwüchsige Kinder und einen Mann, mit dem es wegen des Mutter-Stress’ immer wieder mal Krach gab.

 

Sie, die Schwoscht, zog den Karren. Ich war bloss der Mitfahrer. Für dieses Ungleichgewicht gibt es nur eine einzige Entschuldigung: Es machens alle so. Fast alle. Ausschliesslich die Töchter betreuen mit viel Aufwand ihre betagten Mütter. Sie haben den Stress, verzichten auf Jobs und Karrieren und vernachlässigen damit ihre Altersvorsorge, sprich haben kleinere Renten. Die Männer stehen abseits, machen mal ein Bsüechli, kümmern sich um den administrativen Karsumpel.


 

Viele Eltern betreuen heute ihre Kinder gemeinsam.

 

Bei der Beziehung zwischen den Eltern und ihren minderjährigen Kindern hat sich vieles verändert, verbessert. Väter und Mütter teilen sich die Betreuung auf. Väter möchten nicht mehr nur Wochenend- und Ferien-Papis sein. Mütter wollen ihren Job behalten. Teilzeitpensen machens möglich. Ich nehme die grossen Aber gleich selber vorweg. Nämlich: Aber das gilt nicht für alle. Aber das können sich nicht alle leisten. Aber viele Väter und Mütter wollen das gar nicht. Gebongt. Doch das letzte Aber: Es hat sich vieles bewegt – in die richtige Richtung.

 

Betreuen erwachsene Kinder ihre betagten Eltern, bleiben die Söhne im Hintergrund. Fast ausschliesslich die Töchter putzen, waschen, kochen.

Ganz anders läuft der Hase, wenn erwachsene Kinder ihre betagten Eltern betreuen sollten. Ausschliesslich Frauensache. Auch die engagiertesten männlichen Gleichstellungs-Aficionados schrecken zurück, wenn es gilt, in der streng riechenden elterlichen Wohnung die Küche zu schrubben. Dies nicht nur an hohen Familienfeiertagen, sondern jahrelang putzen, kochen, waschen, zuverlässig mehrmals in der Woche. Ausschliesslich Töchterpflicht.

In einigen Kantonen darf mann auf der Toilette nach 22 Uhr nur noch im Sitzen pinkeln.* Die Gleichstellung schreitet voran. Das ist gut so, wirklich. Auch dass man den standhaften Pinklern den Hahn zudreht, ist ein tröpfchenkleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber es gibt schon noch drängendere Probleme.

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* Um ganz ganz ehrlich zu sein: Stehpinkeln ist in diesen Kantonen nicht verboten, um im Gender-Kampf zu punkten. Sondern weil das aufrechte Wasserlassen in ringhörigen Bauten die nächtliche Ruhe stören soll. Das ist ganz ganz ehrlich eine wirklich spritzige Pointe.