Viele Leute reden viel zu viel.
Viel zu wenig Leute hören zu.
Ich war in der Reha in einer entsprechenden Klinik zwischen Bern und Thun. Um meinen Ruf als Vorzeigepatient zu festigen, stieg ich nach dem eng getakteten Therapieprogramm fast jeden Abend auf den Hometrainer, den Ergometer. Eines Abend gesellte sich eine Frau dazu. Sie begann bald ein Gespräch. Sie redete so pausenlos, wie sie pedalte. Nämlich ständig. Nach einer Viertelstunde schwang sie sich vom Sattel. Und bedankte sich für das nette Gespräch mit mir.
Gespräch? Sie beschrieb die Berner Wirte-Stammbäume bis ins vierte Glied. Die dynastischen Verwicklungen rund um Wäbere, Harmonie und Commerce interessierten mich nicht. Um Anteilnahme vorzulügen, platzierte ich ein paar Ahas und Sosos. Frustrierend, ärgerlich. In den folgenden Tagen und Wochen der Reha wich ich der Geplätscher-Frau erfolgreich aus.
Kurse für Sprechen gibt es viele, fürs Zuhören keine.
Realisieren die Dauer-Beriesler eigentlich, dass sie nerven? Vermutlich nicht. Wenn sie nicht gerade ins Zwangshafte abdriften, gelten vor allem Männer, die gekonnt reden, als versiert, kommunikativ und dynamisch. Sind sie das? Kaum, oft bloss langweilig. Um höflich zu bleiben, schummeln wir was vor.
Der selbstgestrickte Amateuerpsychologe in mir versucht, die Permanent-Quassler in Kategorien einzuteilen. Das ist erstens der Allesbesserwisser, der lästige Diskussionen und unbequeme Fragen vermeiden will. Zweitens versuchen Leute, die nur sprechen und nicht zuhören können, ihre Unsicherheit zu vertuschen, und drittens merken manche gar nicht, dass ihre Wörterschwemme bloss auf den Keks geht.
Rhetorik-Kurse gibt es für jede und jeden, für Managerinnen, Pfarrer, Politikerinnen. Nirgends jedoch gibt es Angebote, durch die man lernen kann, wie man gut zuhört. Schade. Ohren und Geist auf Empfang-Modus zu schalten, hat wirklich Vorteile. Zu empfehlen zum Beispiel jenen Journalisten-Kollegen, die pausenlos schwatzen, so dass man sich fragt, wie sie zu ihren Informationen kommen.
Was kann man gegen verbalen Durchfall tun? Weghören, wegdämmern, weggehen? Ich weiss es nicht. Vielleicht kennt die geneigte Seniorweb-Leserschaft so ein Mittelchen.
Bild pixabay, pst