seniorweb.ch, 25. Juni 2024
.
Ich bin im Hoch, im Hochalter
.
Oh, du holde Jugend, du entschwindest. Ihr AHV-Frischlinge, hört. Ihr Rentner-Neulinge, ihr eben ausgeschlüpften Jung-Seniorinnen, hört. Ihr, die ihr die Berge erklimmt, die Flüsse durchschwimmt, die Pässe hochpedalt. Die Zeit wird kommen, die da heisst Hochalter. In fünf oder in fünfzehn Jahren, mit 80 oder mit 85. Ihr werdet das Morgenberghorn nur noch von unten anschauen. Ihr werdet in der Aare nicht mehr schwimmen, sondern dem Fluss entlang nur noch spazierengehen. Ihr werdet den Klausenpass nur noch mit dem Poschi bezwingen. Das Alter ist nichts für Feiglinge, das Hochalter ist nur für Helden. Vernehmt, welche Widerwärtigkeiten der Autor erlebt.
Sein Wohnort Bern ist eine Bergsteigerstadt. Wenn er von der Aare zur Tramhaltestelle Kursaal hinaufsteigt, muss er 250 Treppenstufen überwinden. Gemessen sind das 50 Höhenmeter, gefühlt sind es Höhenkilometer. Alle reden vom Everest, niemand spricht von der Rabbentaltreppe.
Bern ist eine Sprinterstadt. Von wegen langsame Berner. Äuä. Wenn der Autor vom Hauptbahnhof zur Neuengasse will, gibt ihm eine Lichtsignalanlage den Takt vor. Die Grünphase für Fussgänger dauert 8 Sekunden, die Strasse ist 14 Meter breit. Setzt man nicht pünktlich mit dem Grünstart zum Überqueren an, erfordert das ein Tempo von 7 Stundenkilometern. Kein Problem für Mujinga Kambundji, eine Hetzerei für den Autor.
Mit 70 ein Greis, mit 80 weise. Stimmt wohl nicht für alle. Das Bild ist 1840 entstanden. Damals betrug die Lebenserwartung 45 Jahre.
Beipackzettel von Medikamenten. Der Autor nimmt als unverfängliches Beispiel Viagra. Früher, als es das Medikament noch nicht gab, konnte er die Informationen mit blossem Auge lesen. Jetzt braucht er eine Lupe. Schriftgrösse 3.5 Punkt. Zeitungen werden mit 10 bis 11 Punkt grossen Buchstaben gedruckt. Das Medikament beeinflusst einen männlichen Körperteil. Die Mini-Schrumpf-Schrift spiegelt dessen altersbedingte Rückentwicklung. Und die Wirkung von Viagra? Bitte schön, das hier ist eine Kolumne über das Hochalter.
Weitere Hürden für Hochaltrige: Bargeld ist immer seltener willkommen. Autoleasing, Konsumkredite, höhere Hypotheken sind nichts mehr für uns. Auch die Werbung übersieht uns. Anders die Jüngeren: AHV-Kücken dürfen uns auf Plakaten, Inseraten und im Fernsehen anlächeln. Attraktive Jungseniorinnen negieren per Anti-Falten-Creme ihre Runzeln und präsentieren Golden-Age-Mode. Juniorrentner tschutten mit ihren Enkeln und schauen auf ihren Segeljachten verträumt in den Sonnenuntergang. Wir Älteren, die Generation Senior 2.0, wird bloss noch eingesetzt als Models für Inkontinenz-Schutzhosen und Haftcremen.
So, jammern tut gut. Allerdings nicht als Monothema. Hört ja eh niemand zu, liest ja eh kein Schwein. Hallo, ist noch jemand auf der Seite