seniorweb.ch, 14.Januar 2025

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"Mannweiber, Furien, schlechte Mütter"

Die Mütter vernachlässigen ihre Kinder, in der Schule hagelts schlechte Noten, Mannweiber krempeln unser Land um. Die Männer können das Unheil nur abwenden, wenn sie an der Urne das Frauenstimmrecht verhindern. So dramatisch warnten die Nein-Plakate vor dem drohenden Untergang der Schweiz.

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Die Werbung der Ja-Sager zeigen wir weiter unten.

 

Totz dieser gefährlich klingenden Drohungen gewährten die Schweizer am 7. Februar 1971 den Schweizerinnen an der Urne das Stimm- und Wahlrecht. Unsere chronologisch gegliederte Zusammenstellung beginnt mit Nein-Progaganda aus dem Jahr 1920.

 

1920. Niklaus Stoecklin, 1896-1982. Maler und Grafiker. Gilt als Schweizer Hauptvertreter der Neuen Sachlichkeit und des Magischen Realismus. Renommierter Plakatgestalter.

 

Die Aussage des Plakats: Die Mutter soll sich mit voller Hingabe um das Kind kümmern. Da dürfen andere Bedürfnisse oder Pflichten keinen Platz haben. Erstaunlich: Die Auftraggeber warben 1920 mit einem sozialkritisch angehauchten Plakat für ihr rückwärtsgewandtes Anliegen.

 

 

 

1920. Otto Baumberger, 1889-1961. Zürcher Plakatkünstler, Maler und Bühnenbildner. Gilt als Erneuerer der Schweizer Plakatkunst und wichtiger Vertreter des schweizerischen Expressionismus.

 

Das 1920 entstandene Plakat zeigt ein böses zänkisches Mannweib mit Krawatte und gierigen Langfingern. Die Gegner benützten das Zerrbild um die politisch interessierten Frauen als Furien anzuklagen. Den Feministinnen diente das Motiv später gerne als Karikatur um die Neinsager blosszustellen.

 

 

 

1927. Ernst Keiser, 1894-1960. Schweizer Grafiker und Kunstpädagoge.

 

So schlimm sieht es aus, wenn die Mutter sich um Politik kümmert.  Dann kippt die Welt. Die Katze liegt im Stubenwagen, das Baby gerät unter die Räder. Das Plakat ist in den Zwanzigerjahren entstanden. Expressionistische Formen klingen an.

 

 

 

Vermutlich 30er-Jahre. Otto Plattner, 1886-1951. Schweizer Maler, Graphiker und Heraldiker.

 

Wieder ein Sujet aus der Reihe der vernachlässigten Kinder. Der arme Bub muss zerlumpte Kleider tragen. Weil die Mutter politisiert, hagelts miese Noten. In Fleiss unf Betragen ist der Schüler offenbar weit unter dem Strich. Und, gemäss Zeugnis: «Fritz hat nachgelassen. Die Eltern sollten die Hausaufgaben kontrollieren.» Plattner hat mit seinen Plakaten vor allem für die Anliegen der Basler Bürgerlichen geworben.

 

 

 

1946. Unbekannt.

 

Das vor bald 80 Jahren enstandene Plakat ist grafisch eindringlich, aber: Was der Teppichklopfer bedeuten soll, erschliesst sich uns heute nicht mehr. Bekommen ihn die Ja-Sager auf dem Hintern zu spüren? Sind nach der Zustimmung verschmutzte Teppiche zu erwarten? Am ehesten: Wenn die Frauen regieren, haben die Männer zu kuschen.

 

 

 

1946. Donald Brun, 1909-1999. Gebrauchsgrafiker, Designer, Illustrator und Fotograf. War vor allem für seine Plakatgestaltungen bekannt.

 

Donald Brun war einer der grossen Namen in der weltweit gefeierten Schweizer Plakatkunst der Nachkriegszeit. Was die Schmeissfliege auf dem Nuggi soll, offenbart sich uns heute, fast 80 Jahre später, nicht mehr. Vielleicht: Wenn die Mutter abstimmt, haperts bei der Hygiene?

 

 

 

 

1946. Hugo Laubi, 1888-1959. Zürcher Zeichner, Maler und Grafiker.

 

Das passiert, wenn Frauen abstimmen. Das Mädchen trägt zerrissene Kleider und bohrt in der Nase. In seiner Verzweiflung hat es eine Rose abgebrochen. Oder hat es die Blume gar aus dem Nachbargarten geklaut? Der Stil des 1946 geschaffenen Plakats erinnert an Kinderbücher aus dieser Zeit.

 

 

 

Vermutlich 1971.

 

Die Frau erinnert an Audrey Hepburn im Film  «Frühstück bei Tiffany». Den Auftraggebern schwebte aber wohl was anderes vor: Frauen sind schutzbedürftige zarte Wesen, denen der politische Dreck nicht zugemutet werden kann – darum auch die Handschuhe: Politik ist Schmutzarbeit.

 

 

 


 

 

Befürworter waren weit anständiger:
«Manne stimmet Ja»

 

Unsere Sammlung mit Ja-Plakaten von 1919 bis 1971 zeigt, dass die Befürworter weit anständiger als ihre Gegner warben. Die Zusammenstellung dokumtentiert weiter, wie lange die Befürworterinnen und Befürworter kämpfen mussten. In Neuseeland erwarben die Frauen bereits 1893 diese politischen Rechte. Beim Sonderfall Schweiz entschieden sich die Bürger erst am 7. Februar 1971 für ein Ja.

 

 

 

 

Die Herkunftsangaben stammen zum grösseren Teil von Seniorweb-Redaktorin Ruth Vuilleumier.

 

Bilder: Wikimedia, Schweizerisches Sozialarchiv, Museum für Gestaltung Basel,